Kategorie: Auswertung

  • If the kids are united – Auswertungspapier: Revolutionäre 1. Mai-Demo in Berlin 2023

    Gut vier Monate sind seit der Revolutionären 1. Mai-Demonstration in Berlin vergangen und wir wollen die Gelegenheit nutzen, einen kurzen Rückblick auf die Demo in diesem Jahr zu werfen und einen Ausblick aufs nächste Jahr zu wagen…

    1. Zur Ausgangslage: Die Erste-Mai-Demo als zentraler Bezugspunkt antikapitalistischer Kritik
    Die Revolutionäre 1. Mai-Demo in Berlin findet seit über 35 Jahren in unterschiedlicher Zusammensetzung und mit unterschiedlichen inhaltlichen Schwerpunkten statt und war/ist für viele von uns ein wichtiger Politisierungsfaktor. Inhaltliche Klammer der Demo war stets der Anspruch über Detailkritik hinaus, das große Ganze in Frage zu stellen. Also die Frage, wie wir leben, arbeiten und uns gesellschaftlich organisieren wollen und die Erkenntnis, dass ein gutes und freies Leben im Kapitalismus nicht möglich ist, weil dort nicht der/die Einzelne und deren Bedürfnisse zählt, sondern nur die Verwertbarkeit und der Profit. Der Mensch ist im Kapitalismus halt nur Mittel zum Zweck und nur in seiner Rolle als Konsument und Arbeitskraft interessant. Die Revolutionäre 1. Mai-Demo hat es gut verstanden, diese Grundfrage in den Fokus zu stellen, nämlich in welcher Gesellschaft wollen wir leben, wie soll der gesellschaftlich erwirtschaftet Reichtum verteilt werden und wie können wir allen ein würdiges Leben ermöglichen?

    Auch in den Zeiten der Krise der Linken kommen regelmäßig bis zu 20.000 Menschen zur Demo in Berlin und beteiligen sich auf unterschiedliche Art und Weise, bringen ihre politischen Kampagnen, Projekte und Inhalte ein und zeigen, dass eine andere Welt nötig und möglich ist. Die Revolutionären 1. Mai-Demos in zahlreichen Städten haben in der bundesdeutschen (radikalen) Linken eine Sonderstellung. An keinem anderen Tag des Jahres finden sich so viele Menschen zusammen, die gegen Ausbeutung und Unterdrückung auf die Straße gehen und den Kapitalismus selbst in Frage stellen. Diese besondere Stellung muss aus unserer Sicht erhalten, verteidigt und wenn möglich ausgebaut werden. Sie gibt uns die Möglichkeit wieder mehr das große Ganze in den Fokus zu setzen und zu zeigen, wir sind mit unserer Kritik am Kapitalismus nicht allein, auch viele andere Menschen haben die Hoffnung nach einer befreiten Gesellschaft noch nicht aufgegeben.

    Gleichzeitig stellen wir uns die Frage, warum es bislang nie wirklich gut gelungen ist, über den Tag hinaus Themen, Kampagnen und Projekte die auf der Demo eine zentrale Rolle gespielt haben, in unsere täglichen Kämpfe zu übertragen und interessierte Menschen in unsere praktische Arbeit einzubinden. Wie kann es sein, dass am 1. Mai Zehntausende auf die Straße gehen und gegen Kapitalismus, Krieg und Ausbeutung demonstrieren, aber daraus kaum politisches Kapital geschlagen werden kann? Wir sehen hier einen deutlichen Widerspruch zwischen Anspruch und Realität.

    Häufig erleben wir in der bundesdeutschen Linken ein Entweder-Oder. Entweder die Kritik verbleibt auf einer theoretischen Ebene und alles, was uns nicht der Revolution näherbringt, wird als Reformismus abgetan. Oder aber es wird sich im Klein-Klein verloren und in der Basisarbeit aus Angst Leute zu verschrecken auf einen allzu deutlichen Antikapitalismus verzichtet. Wir glauben beides ist wichtig. Die tägliche Arbeit in unseren Kiezen und Betrieben, die stetige Überzeugungsarbeit bei unseren Nachbarn, Kolleg*innen und Freund*innen, der mühsame Aufbau von realer Gegenmacht. Gleichzeitig müssen wir uns aber immer vor Augen halten, wo wir eigentlich hinwollen, nämlich zur klassenlosen Gesellschaft und diese wird nur durch einen Bruch und Überwindung des Kapitalismus zu erreichen sein.

    Die Perspektive einer erfolgreichen radikalen linken Politik ist aus unserer Sicht nur dann gegeben, wenn wir es schaffen unsere Alltagskämpfe mit der großen Frage nach einer anderen Gesellschaft zu verknüpfen, auch wenn klar ist, dass diese neue Gesellschaft wohl noch ein wenig auf sich warten lässt. Wir wollen keinen grünen Kapitalismus, aber Revolutionsromantik bringt uns auch nicht weiter. Daher plädieren wir für eine Politik, die die täglichen Abwehrkämpfe verbindet mit der Forderung nach einer anderen Gesellschaft, frei nach Cato und Rosa Luxemburg: „Im Übrigen sind wir der Meinung, dass der Kapitalismus zerstört werden muss!“

    Gerade der 1. Mai eignet sich nach unserer Ansicht besonders gut für eine solche Politik. Das Zusammenbringen alltäglicher Kämpfe und Organisierungsversuche mit dem Anspruch auf eine Überwindung des Kapitalismus. Das gemeinsame Zusammenkommen vieler Menschen und die Erkenntnis, dass wir doch nicht so allein und vereinzelt sind, wie es uns die Herrschenden gern weißmachen wollen. Und schließlich die gemeinsame Erkenntnis, dass der Kapitalismus nicht das Ende der Geschichte sein darf, wenn es denn noch eine lebenswerte Zukunft geben soll.

    2. Zur Demo 2023 – zwischen Happening und Klassenkampf
    Nach einer kurzen Phase der Stagnation und des Experimentierens während der Corona-Zeit, ist die abendliche Berliner Demo auch zuletzt wieder die größte bundesweite Veranstaltung am 1. Mai gewesen. Keine andere Veranstaltung am 1. Mai hat so viele Menschen angesprochen, wieder haben sich ca. 20.000 Menschen beteiligt. Dies halten wir erstmal für einen großen Erfolg und es zeigt aus unserer Sicht, wie attraktiv und aktuell nach wie vor die Demo für viele tausend Menschen ist. Trotz ritualmäßiger Abgrenzung der etablierten Politik und sensationsgeiler Berichterstattung in den Medien ob und wenn ja, wie krass es denn diesmal wieder knallen wird, hat sich die Demo als eine Art gemeinsamer Abschlussveranstaltung verschiedenster Aktivist*innen und Aktionen der (radikalen) Linken entwickelt. Egal ob wir vormittags auf den klassenkämpferischen Block der Gewerkschaftsdemo gehen, oder in den Grunewald fahren, um die Reichen und Mächtigen zu besuchen oder wir in unseren Stadtteilinitiativen ein Straßenfest oder ähnliche Veranstaltung organisiert haben, am Abend gehen wir alle zur Revolutionären 1. Mai-Demo. Wenn wir uns vor Augen halten, dass es Ende der 1990er und Anfang der 2000er Jahre mehrere teils konkurrierende Revolutionäre 1. Mai-Demos gegeben hat, halten wir diesen Ausdruck von Gemeinsamkeit und Stärke für sehr wichtig und richtig.

    Kaum an einem anderen Tag sind wir in der Lage so viele unterschiedliche Menschen anzusprechen und zu mobilisieren. Damit hat diese Demo auch einen deutlich größeren Handlungsspielraum, als viele andere linke Aktionen. Allerdings schaffen wir es immer weniger, diesen Handlungsspielraum auch zu nutzen. Die Bullen haben es – nach einer Phase der Nichtanmeldung der Demo –  die vergangenen Jahre immer besser geschafft die Demo zu befrieden bzw. Handlungsspielräume einzugrenzen. Das war dieses Jahr sehr deutlich ab dem Kottbusser Tor zu sehen. Ein großer Teil der Demo war eine Art von Wanderkessel, Aktionen aus der Demo heraus oder aus dem Umfeld der Demo haben so gut wie nicht stattgefunden. Insbesondere in der Auflösesituation mussten wir eine gewisse Ohnmacht erleben. Für das Bündnis war klar, dass die Demo (nach den Erfahrungen aus dem letzten Jahr) nicht am Oranienplatz enden soll, weil da die Bullen dort bereits einen großen Kessel vorbereitet hatten. Gleichzeitig wollte das Bündnis die Route nicht zu sehr verkürzen und den symbolischen Punkt der „Kotti-Wache“ mitnehmen. Was wir dann im Folgenden erlebt haben, kommt einer Patt-Situation nahe. Es waren zu viele Menschen auf engen Raum, als dass die Bullen frei agieren konnten. Gleichzeitig waren so viele Bullen vor Ort, dass sich aus der Demo heraus keine wirkliche Gegenwehr entwickeln konnte.

    Dies hat sicher etwas mit der allgemeinen Schwäche der linken Bewegungen zu tun, aber auch damit, dass das Bündnis strukturell schlecht aufgestellt war und sich wenig handlungsfähige Strukturen an der Demo beteiligen (siehe Punkt 3.). 

    Aus unserer Sicht kann die Demo nur einen allgemeinen Rahmen stellen. Wie dieser Rahmen dann von den Menschen genutzt wird, entscheiden diese für sich selbst. Es gab Jahre, wo im Umfeld und im Schutz der Demo, Hausbesetzungen oder andere direkte Aktionen stattgefunden haben. An diese Jahre sollten wir anknüpfen. Wir sollten die Demo und die Möglichkeiten, die diese Demo bietet, wieder stärker in Fokus setzen. Klar ist aber auch für uns, dass sich der Erfolg der Demo nicht daran messen lässt, ob und wie doll es geknallt hat. Militante Auseinandersetzung darf aus unserer Sicht nicht der eigenen Selbstbestätigung bzw. einer „Erlebniskultur“ dienen, sondern muss vermittelbar sein und nicht zum Selbstzweck verkommen. Viel wichtiger als die Frage, wie viele Bullen verletzt wurden und ein wie hoher Sachschaden entstanden ist, ist die Frage wie viele Menschen wir erreichen konnten, ob gesellschaftliche Diskurse beeinflusst werden konnten und ob die Linke durch die Demo eher gestärkt oder geschwächt wurde.

    3. Zum Bündnis – Spagat zwischen Anspruch und Realität
    Festzuhalten ist zunächst, dass es eine sehr große Differenz gibt, zwischen der Vorbereitung und Organisation der Demo und der tatsächlichen Beteiligung. Das Bündnis hat es leider nicht geschafft stark zu wachsen und mehr Strukturen einzubeziehen. Das führt dazu, dass Arbeit und Verantwortung auf immer die gleichen Schultern verteilt wird und es weniger Raum für Kreativität, Austausch, Debatte und den Ausblick über den Tag hinaus gibt. Anders gesagt: Das Bündnis schafft es, die Demo vorzubereiten, für gute(n) Auswertung/ Erfahrungsaustausch und Wissenstransfer oder gar Ausweitung der Aktivitäten fehlt es aber leider an Kraft und Zeit. 

    Diese Schwäche war dieses Jahr auch deutlich auf der Demo zu sehen. Abgesehen vom Frontblock gab es keine weiteren Lautis, was gerade in der Auflösesituation sehr ungünstig war. Ein Großteil der Menschen auf der Demo hat es schlicht nicht mitbekommen, dass die Demo beendet wurde, weil dies durch entsprechende Lautidurchsagen nur im vorderen Teil der Demo kommuniziert werden konnte.

    Wir glauben, dass die schwache Besetzung des Vorbereitungsbündnisses nicht daran liegt, dass die Notwendigkeit der Demo nicht mehr gesehen wird, im Gegenteil (siehe Punkt 1. und Punkt 2.). Etwas überspitzt gesagt, alle finden die 1. Mai-Demo gut, aber kaum jemand möchte die Demo vorbereiten/mitgestalten. Wir sollten uns gemeinsam die Frage stellen, woran das liegt und was wir tun können, um das Bündnis zu vergrößern bzw. handlungsfähiger zu machen.

    Zu den ersten Überlegungen gehört, frühzeitig Möglichkeiten zu schaffen, leichter an das Bündnis heranzutreten, die Ansprechbarkeit und Transparenz zu erhöhen. Außerdem Mitmachangebote jenseits der eigentlichen Orgatreffen zu schaffen (offene Treffen, zu Beteiligungsmöglichkeiten am Tag selbst anregen, es auch Einzelpersonen und losen Strukturen zu ermöglichen, sich einzubringen usw.) Wenn es uns dann auch weiterhin gelingt, unsere Unterschiedlichkeiten als Stärke und nicht als Bedrohung der eigenen Position zu begreifen und die von Repression Betroffenen nicht alleine lassen, wäre das schon sehr vielversprechend. 

    4. Ausblick 2024 – was tun?
    Wir möchten unsere Einschätzungen zur Demo und mögliche Ideen fürs nächste Jahr gerne mit interessierten Gruppen/Strukturen/losen Zusammenhängen diskutieren und gemeinsam sehen, ob und wie wir uns gut in die Demo einbringen können. Wir überlegen daher, im Oktober/November ein entsprechendes Treffen zu organisieren. Schreibt uns eure Ideen und ob ihr Interesse an der Teilnahme habt. 

    Bei diesem Treffen soll es aus unserer Sicht um eine gemeinsame Auswertung und vor allem um einen Ausblick fürs kommende Jahr gehen. Was sind wichtige Themen für die Demo, wie schaffen wir es mehr Handlungsfähigkeit zu bekommen und wie kann am besten auf die Bullenstrategie reagiert werden? Wer sind wichtige Verbündete und wie können diese stärker in die Vorbereitung bzw. die Aktivitäten am Tag selbst eingebunden werden? Wie schaffen wir es Unterschiedlichkeiten besser auszuhalten und dieser mehr als Stärke denn als Bedrohung zu begreifen? Wie kommen wir endlich wieder in die Offensive?

    Aus unserer Sicht geht dies nur gemeinsam und nicht gegeneinander. Wir halten nach wie vor die Revolutionäre 1. Mai-Demo für einen zentralen Part linker Politik in Berlin und darüber hinaus und stimmen nicht ein in den Chor derjenigen, die nur Gründe suchen, warum die Demo nicht mehr das ist was sie (vielleicht) einmal war und eh schon immer alles besser wussten.

    Wir glauben, dass wir nur in unseren gemeinsamen Kämpfen lernen und wachsen können und dass die aktuellen gesellschaftlichen Verhältnisse eine große Revolutionäre Demo am 1. Mai (und an jedem anderen Tag im Jahr) bitter nötig macht!

    In diesem Sinne – nicht jammern, sondern gemeinsam handeln!
    Für einen Revolutionären 1. Mai 2024!

    Zukunftswerkstatt Berlin

    Die Zukunftswerkstatt ist ein loser Zusammenschluss von Menschen, die sich der radikalen Linken zugehörig fühlen und seit vielen Jahren die 1. Mai-Demo in Berlin mitorganisiert haben. Die Zukunftswerkstatt war Teil des Revolutionären 1. Mai-Bündnisses in diesem Jahr. Bei Anregungen und Kritik, schreibt uns! Kontakt: zukunftswerkstatt [at] systemli.org

  • Video-Dokumentation zum Revolutionären 1. Mai 2021 in Berlin

    Als Veranstalter:innen der Revolutionären 1. Mai Demonstration in Berlin haben wir eine Dokumentation veröffentlicht. Weil unsere Sicht auf den 1. Mai in der Presse meist kein Thema ist, wollen wir euch als Veranstalter:innen und Demonstrant:innen erzählen, wie wir den 1. Mai 2021 erlebt haben. Wir möchten in dieser Dokumentation vor allem die massive Polizeigewalt auf der letztjährigen Demonstration thematisieren und euch einen Ausblick auf den 1. Mai 2022 in Berlin geben.

    Inhaltswarnung: im Video sind Szenen von Polizeigwalt zu sehen. Hier findet ihr das Video

  • Trailer zur Doku 1. Mai 2021 – Am 11. April 2022 wird Video veröffentlicht

    Genoss:innen haben in den letzten Monaten eine Dokumentation über den Revolutionären 1. Mai in Berlin gedreht. Wir wollen euch darin unsere Perspektive als Veranstalter:innen auf die Demonstration zeigen.
    Wir möchten mit dem Video vor allem die massive Polizeigewalt auf der letztjährigen Demonstration thematisieren!

    Teilt den Trailer der Dokumentation auf Youtube und schaut euch am Montag das gesamte Video auf dem Kanal an. Link zum Trailer

    Außerdem möchten wir euch auch zur diesjährigen Revolutionären 1. Mai Demonstration am Hertzbergplatz einladen.

    1. Mai 2022 | Hertzbergplatz Neukölln
    Auftaktkundgebung: 16.30 Uhr
    Demonstration: 18.00 Uhr

  • Spendet für die Verhafteten vom 1. Mai!

    Die Rote Hilfe Ortsgruppe Berlin hat ein Solikonto zur Unterstützung der Betroffenen eingerichtet und bittet um Spenden:

    Rote Hilfe e.V.,
    IBAN: DE55 4306 0967 4007 2383 17,
    BIC: GENODEM1GLS,
    Stichwort: 1. Mai.

    1. Mai 2021, Auftaktkundgebung mit 20.000 Menschen auf dem Hermannplatz in Berlin-Neukölln

    „Mit Knüppel und Pfefferspray im Einsatz für Ihre Gesundheit“ – diese absurde Botschaft versucht die Polizeiführung mit Hilfe williger Journalist*innen der Öffentlichkeit zu verkaufen, wenn sie über die gewaltsame Auflösung der Berliner Revolutionären 1. Mai Demo sprechen. Denn während 2017 auf dem G20-Gipfel die „Welcome to Hell“- Demo wegen Verstößen gegen das Vermummunsgverbot begründet wurde, müssen heute – in Zeiten der Vermummungspflicht – angeblich zu geringe Abstände und der Schutz vor Infektionen als Grund für den Angriff auf linksradikale Demos herhalten.

    Der eigentliche Grund, aus dem die Demonstrationen der revolutionären Linken nicht hat laufen können, war und ist die Angst der Herrschenden vor dem Erwachen des Heeres der Sklav*innen, das ihre Ordnung zum Einsturz bringen würde. Diese Angst machte in Berlin ein „unmittelbares Eingreifen erforderlich“ „mit einschneidenden Maßnahmen“, „auch wenn das Stress geben wird“ (Polizeieinsatzleiter Katte in der Presse). Stress gab es in der Tat, zahlreiche Demonstrant*innen verteidigten sich gegen die Anriffe des behelmten, gepanzerten, bewaffneten und uniformierten Schlägertrupps. Trotz dieses Widerstands wurden laut Presseberichten im Laufe des 1. Mai 354 Personen von der Polizei festgenommen. Für 39 Festgenommene wurden Haftbefehle beantragt, drei sitzen derzeit noch in U-Haft. Lassen wir die Betroffenen der Repression nicht alleine! Die folgenden Verfahren, auch für die vielen, die nicht im Knast sind, werden eine Menge Geld kosten. Die Rote Hilfe Ortsgruppe Berlin hat ein Solikonto zur Unterstützung der Betroffenen eingerichtet und bittet um Spenden:

    Rote Hilfe e.V.
    IBAN: DE55 4306 0967 4007 2383 17
    BIC: GENODEM1GLS
    Stichwort: 1. Mai

  • Kritische Demobeobachtung: Bericht zur „Revolutionären 1. Mai“-Demo

    Im Folgenden berichten wir über unsere Beobachtungen während der Demonstration und zur Auflösung der Versammlung. An den Beobachtungen waren Menschen der Kritischen Demobeobachtung Berlin und der Kritischen Jurist*innen FU beteiligt. Der Bericht wurde von uns gemeinsam geschrieben.

    Dem Bericht stellen wir einen kurzen Kommentar zur Versammlungsfreiheit an diesem Tag mit Fokus auf die Allgemeinverfügung der Polizei für den Bereich des ehemaligen MyFests in Kreuzberg rund um die Oranienstraße voran und schließen den Bericht mit einem Statement unsererseits, in dem wir auf die polizeilichen Maßnahmen und die mediale Nachbereitung der Ereignisse des Tages aus der Perspektive des Grundrechts für Versammlungsfreiheit eingehen.

     

    Zur Allgemeinverfügung der Polizei das Gebiet des ehemaligen MyFest betreffend

    Am 28.04.2021 veröffentlichte die Polizei per Pressemitteilung (https://www.berlin.de/polizei/polizeimeldungen/2021/pressemitteilung.1079781.php), dass der Gemeingebrauch von öffentlichen Flächen in einem begrenzten Bereich in Friedrichshain-Kreuzberg in der Zeit von Samstag, 1. Mai 2021, 6 Uhr bis Sonntag, 2. Mai 2021, 6 Uhr eingeschränkt sei. Der Bereich umfasst grob das Gebiet des ehemaligen MyFest. In diesem Bereich war das Mitführen von Getränkeflaschen und -dosen mit Ausnahme von PET-Flaschen bis 0,5 Liter, auch von außen in diesen Bereich hinein, untersagt. In Folge dessen wurde das genannte Gebiet mit Absperrgittern (ASG) umzäunt und der Zugang zu dem Gebiet von Polizeikräften überwacht. Begründet wurde diese Maßnahme „anlässlich mehrerer angezeigter Versammlungen.“

    Wir kritisieren diese Maßnahme aufs Schärfste! Zu ihrer Begründung wurde das Abhalten mehrerer Versammlungen herangezogen, neben der „Revolutionären 1. Mai“-Demonstration waren im Gebiet der Allgemeinverfügung je eine Kundgebung am Lausitzer Platz und auf dem Mariannenplatz angemeldet. Versammlungsfreiheit ist ein hohes Rechtsgut, die Aufgabe der Polizei ist es, dieses zu gewähren. Mit dem Erlass der Allgemeinverfügung und deren Umsetzung durch weiträumige Absperrungen des Gebietes mit ASG wurde die ungehinderte Teilnahme an der Versammlungen im Bereich der Allgemeinverfügung verhindert, Menschen von der Teilnahme an den Versammlungen abgeschreckt. Außerdem ist es in Hinblick auf die in dem Gebiet stattfindenen Versammlungen unnötig, ein weiträumiges Getränkeflaschen- und -dosenverbot zu erlassen. In der Regel sind in Berlin das Mitführen von Glasflaschen auf Versammlungen in Berlin per Auflagenbescheid für die jeweiligen Versammlungen verboten. Eine Ausweitung dieses Verbots auf Getränkeflaschen über 0,5 Liter ist absurd und außerdem unverantwortlich. Teilnehmer*innen von Versammlungen mit mehrstündiger Dauer muss die Möglichkeit eingeräumt werden, genügend Flüssigkeit zu sich zu nehmen. 0,5 Liter sind dafür nicht ausreichend.

    Das Verbot des Mitführens von Getränkeflaschen und -dosen diente bereits im Vorfeld dazu, implizit ein Bild zu erzeugen, dass an dem Tag mit Ausschreitungen durch die Versammlungen zu rechnen sei. Dies stellt eine politische Einflussnahme der Polizei auf die öffentliche Debatte dar. Indem sie die Allgemeinverfügung damit begründet, dass Versammlungen stattfinden, wird ein implizites Bild davon erzeugt, dass diese Versammlungen einen gewalttätigen Verlauf nehmen könnten. Damit werden Menschen von der Teilnahme an diesen Versammlungen abgeschreckt und dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit eklatant entgegengewirkt. Während in den vergangenen Jahren das MyFest als angemeldete Versammlungen in dem Gebiet stattfand und dieses wie im letzten Jahr pandemiebedingt ausfallen musste, entsteht für uns der Eindruck, dass die Allgemeinverfügung der Polizei dieses Jahr die Aufgabe des ehemaligen MyFests erfüllen sollte. Damit überschreitet die Berliner Polizei bei weitem ihre Kompetenzen. Die Polizei ist keine politische Akteurin. Als Teil der Exekutive, die für die Durchsetzung des Gewaltmonopols des Staates sorgen soll, hat sie nicht die Aufgabe, als politische Akteurin zu agieren und per Allgemeinverfügung nicht stattfindende Versammlungen zu ersetzen.

     

    Bericht zur Demonstration

    Wir waren ab ca. 17:30 Uhr auf der „Revolutionären 1. Mai Demonstration“ am Hermannplatz mit zwei Teams, bestehend aus Menschen der Kritischen Demobeobachtung Berlin und der Kritischen Jurist*innen FU Berlin, präsent. An der Demonstration beteiligten sich ca. 25.000 Menschen. Die Demonstration, die über die Karl-Marx-Straße, Sonnenallee, Wiener Straße, Oranienstraße bis zum Oranienplatz ziehen sollte, wurde auf der Sonnenallee ca. Höhe Weichselstraße vorzeitig beendet. Eines unserer Teams beobachtete den Verlauf des Versammlungsgeschehens an der Spitze der Demonstration, das zweite Team befand sich an deren Ende. Aufgrund der Größe der Demonstration fließen zur Komplettierung unseres Berichts auch Medienberichte und Informationen aus Social Media Kanälen ein.

    Um ca. 17:30 Uhr näherten wir uns dem dem Startpunkt der Demonstration, auf dem zu dem Zeitpunkt noch eine Kundgebung stattfand, aus Richtung Kottbusser Tor kommend. Bereits an der Ecke Kottbusser Damm / Sonnenallee war für uns ersichtlich, dass sich mehrere tausend Menschen versammelt hatten, der Antreteplatz gut gefüllt war und es schwierig werden würde, die laut Infektionsschutzgesetz vorgeschriebenen Abstände einzuhalten, vor allem auch, weil immer mehr Menschen Richtung Antreteplatz strömten. Gleichzeitig mussten wir feststellen, dass der Verkehr auf der Sonnenalle Richtung Hermannplatz noch lief. Dies stellte eine unmittelbare Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit der Demonstrationsteilnehmenden dar. Zum einen, weil wegen des Zustroms von immer mehr Menschen auf den Hermannplatz deren Gefährdung durch den fließenden Verkehr nicht ausgeschlossen werden konnte, zum anderen weil es immer schwieriger wurde, Abstände einzuhalten. Die Polizei war mit genügend Kräften vertreten, um dafür zu sorgen, den Verkehr weiträumig um den Hermannplatz umzuleiten. Insbesondere die Öffnung des Kottbusser Damms für die Versammlungsteilnehmenden hätte die Einhaltung des Mindestabstands gewährleisten können. Es ist für uns unverständlich, weshalb dies von Seiten der Einsatzführung nicht gemacht wurde. Das Grundrecht auf Versammlungfreiheit ist ein höheres Rechtsgut als die Straßenverkehrsordnung, weshalb der Verkehr zu diesem Zeitpunkt weiträumig um die Hermannplatz zugunsten der Kundgebung hätte eingeschränkt werden müssen. Nicht zuletzt allein deshalb, um die körperliche Unversehrtheit der Teilnehmenden zu gewährleisten. Insofern handelte die Einsatzführung zu diesem Zeitpunkt bereits unverantwortlich.

    Wie wir später Medienberichten entnehmen konnten, wurde ca. zu diesem Zeitpunkt die aus dem Grunewald kommenden Fahrraddemonstration auf Höhe der Boddinstraße vorzeitig durch die Polizei aufgelöst mit der Begründung, es seien bereits zu viele Menschen auf dem Hermannplatz versammelt. Ursprünglicher Endpunkt der Demonstration war die Kundgebung am Herrmannplatz. Angesichts dessen, dass die Polizei wie beschrieben den zur Verfügung stehenden Platz für die Kundgebung nicht erweiterte, ist die vorzeitige Beendigung der Fahrraddemonstration nicht zu rechtfertigen und stellt einen klaren Verstoß gegen das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit dar.

    Ab ca. 17:35 Uhr waren wir in der Karl-Marx-Straße in unmittelbarer Nähe zum Hermannplatz, um den Start der Demonstration zu beobachten. Ab 17:47 Uhr haben wir beobachtet, wie ein dort abgestellter Kamerawagen der Polizei mit dem amtlichen Kennzeichen B-NK 2349 begann, die Kundgebung in Richtung Hermannplatz abzufilmen. Laut dem Berliner Versammlungsfreiheitsgesetz (VersFG BE) sind Filmaufnahmen nur noch nach erheblicher Gefährdung für die öffentliche Sicherheit erlaubt (§18 Abs. 2 VersFG BE). Diese lag zu dem Zeitpunkt nicht vor. Auch eine eventuelle Begründung mit der Gefährdung der Gesundheit der Versammlungsteilnehmer*innen durch ggf. nicht eingehaltene Abstände ist nicht ausreichend. Denn wie oben beschrieben, hätte es zu diesem Zeitpunkt die Möglichkeit gegeben, die Situation durch die Gewährung von mehr Raum zu entzerren. Auch auf der Karl-Marx-Straße hätte es diese Möglichkeit gegeben. Auch hier wurde zu diesem Zeitpunkt diese Möglichkeit von der Polizei nicht eingeräumt. Das Abfilmen der Kundgebung war damit rechtswidrig.

    Um 18:38 Uhr setzte sich die Spitze der Demonstration auf der Karl-Marx-Straße in Bewegung. Vorneweg wurde die Demonstrationen von behelmten Beamt*innen der 11. Einsatzhundertschaft (EHU) und dem filmenden Kamerawagen begleitet. Nach wenigen Minuten stoppte der Frontblock kurz und setzte sich wieder in Bewegung. Mittlerweile wurde die entstandene Lücke von Demonstrierenden geschlossen. Um 19:04 stoppte der Frontblock erneut. Als Begründung für den erneuten Stopp wurde uns mangelnde Verkehrssicherung angegeben. Aus den Seitenstraßen seien Autos auf die Aufzugstrecke gefahren. Wie es dazu kommen konnte, ist uns unverständlich. Aufgabe der Polizei ist es, den reibungslosen Ablauf von Versammlungen und die Sicherheit der Teilnehmenden zu gewährleisten. Grundlage dafür ist es, den Verkehr zu regeln. Offensichtlich kam die Polizei trotz ausreichender Kräfte vor Ort dieser Aufgabe zu diesem Zeitpunkt nicht nach und riskierte damit die körperlicher Unversehrtheit der Teilnehmenden.

    Nach einigen Minuten konnte die Demonstration fortgesetzt werden und erreicht um 19:28 Uhr die Erkstraße. Währenddessen strömten die Menschen vom Hermannplatz auf die Demonstrationsroute, die Demonstration kam immer wieder ins Stocken und staute sich auf. Deshalb war es an manchen Punkten schwierig, Mindestabstände einzuhalten. Grund dafür ist auch die fehlende Verkehrssicherung der Polizei.

    Ein weiterer Grund dafür ist eine Engstelle auf der Karl-Marx-Straße auf Höhe der Neukölln-Arcaden. Dort befindet sich eine Großbaustelle, die die Straße an dieser Stelle auf eine Fahrbahn beschränkt und dafür sorgte, dass sich an dieser Stelle ein Rückstau in der Demonstration bildete. Diese Baustelle ist offensichtlich nicht erst kurzfristig errichtet worden. Sie muss der Einsatzleitung bei der Einsatzplanung bekannt gewesen sein. Unser Team im hinteren Teil der Demonstration hat um 19:35 beobachtet, dass aus einer Seitenstraße kommend Lautsprecherdurchsagen gemacht wurden, die zur Einhaltung der Mindestabstände aufforderten. Angesichts der Engstelle auf der Demonstrationsroute war diese Aufforderung absurd, besonders auch, weil sich zu diesem Zeitpunkt der Demonstrationszug vollständig formiert hatte und hinten begleitende Polizeifahrzeuge und -einheiten eine Entzerrung des Demonstrationszuges unmöglich machten.

    Uns ist unverständlich, wie die Demonstration entlang dieser Engstelle führen konnte. Die Polizei trägt die Verantwortung dafür, dass ein reibungsloser Ablauf von Demonstrationen möglich ist. Bei der im Vorfeld angemeldeten Teilnehmer*innenzahl im fünfstelligen Bereich ist anzunehmen, dass es an dieser Stelle zu Stockungen kommt und in der Folge Mindestabstände nicht mehr eingehalten werden können. Deshalb wurden von Seiten der Polizei in den vorangegangenen Jahren bei Großdemonstrationen, die nicht unter Pandemiebedingungen stattfanden, Routenänderungen vorgenommen, um solche Engstellen zu vermeiden. Dies stellt zwar einen Eingriff in das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit dar, wurde aber mehrfach durch gerichtliche Entscheidungen als zulässig bestätigt. Auch und vor allem zu Pandemiezeiten hätte deshalb der Polizei auch für die Route dieser Demonstration diese Instrument zur Verfügung gestanden, nicht zuletzt, um die körperliche Unversehrtheit der Teilnehmenden zu gewährleisten. Dass sie dieses nicht nutzte, ist fahrlässig.

    Um ca. 19:40 Uhr trennte die Polizei den hinteren Teil der Demonstration mittels eine Polizeikette auf Höhe ca. Rathaus Neukölln unmittelbar nach der Baustelle ab. Zu diesem Zeitpunkt war eine hohe Zahl an Polizeikräften an der Seite der Demonstration vor der Baustelle und am Ende der Demonstration aufgezogen. Dieses Maßnahme der Polizei kam für uns überraschend und ohne jeglichen ersichtlichen Anlass. Wie wir später aus den Medien erfahren konnten, erfolgte diese Maßnahme aufgrund von Verstößen gegen das Infektionsschutzgesetz. Mund-Nase-Bedeckungen seien nicht getragen worden, Abstände seien nicht eingehalten worden. Dem widerspricht deutlich ein Bericht der RBB Abendschau vom gleichen Tag. (vgl. https://www.rbb-online.de/abendschau/videos/20210501_1930.html ab Minute 3)

    Wie wir im Nachhinein durch unsere Auswertung der relevanten Social Media Kanäle und Hashtags erfahren haben, fand im mittleren Teil der Demonstration eine weitere ähnliche Maßnahme der Polizei statt. Den genauen Ablauf können wir nicht rekonstruieren. Bei dieser Maßnahme wurde aber der Lautsprecherwagen der Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ gestürmt.

    Um 19:48 Uhr hat die Spitze der Demonstration auf Höhe der Sonnenallee 71 wegen der stattfindenden Polizeimaßnahmen gestoppt. Die vornweg laufende Kette der 11. EHU hat im Zuge dessen den Abstand zur Demonstration von 50 auf 20 Meter verringert. Aufgrund der nachströmenden Demonstrationsteilnehmenden wurde der Abstand zwischen den Menschen um den Frontblock herum zunehmend enger. Unser Team fragte den Kontaktbeamten, ob die Kette sich ein wenig zurückziehen könne, um das Einhalten der Abstände zu ermöglichen. „Wir schauen mal“ war die Antwort. Ca. 8 Minuten später dann unsere Rückfrage, ob ein größerer Abstand der 11. EHU möglich sei. Die Antwort: „Das geht schon, aber das werden wir aus taktischen Gründen nicht machen.“

    Kurz vor 20:30 Uhr setzte sich die Spitze der Demonstration wieder in Bewegung, die Kette der 11. EHU hielt wieder etwas mehr Abstand. Auf der rechten Fahrbahn wurde Höhe Sonnenalle Nr. 51 eine größere Gruppe an Einheiten sichtbar. Die Spitze erreichte die Jansastraße. Die beobachteten Einheiten befanden sich plötzlich im Vollsprint. Die Kette der 11. EHU vor der Demospitze teilte sich in der Mitte und öffnete den Weg für die heransprintenden Einheiten, die mit hoher Geschwindigkeit die Versammlungsteilnehmenden angreifen. Eine Grundlage für diese massive Anwendung unmittelbaren Zwangs war für unser beobachtendes Team zu diesem Zeitpunkt nicht ersichtlich. Auch erfolgte keine vorherige Durchsage vonseiten der Polizei. Bis heute konnten wir keinen Äußerungen der Einsatzleitung oder Medienberichten eine Erklärung für den Angriff auf die Demospitze entnehmen.

    Unser Team im hinteren Teil der Demonstration versucht währenddessen, den Demonstrationszug über die Fuldastraße zu verlassen. Wegen der Abtrennung des hinteren Teils der Demonstration war es dort eine beklemmende Situation entstanden. Teilnehmende, teils mit Kinderwägen, versuchten die Demonstration zu verlassen, was aber Aufgrund der Enge nur schwerlich möglich war. Die Maßnahme der Polizei hat die Situation an dieser ohnehin kritischen Engstelle weiter verschärft. Nur den besonnenen Reaktionen der Teilnehmenden ist es zu verdanken, dass an dieser Stelle keine Massenpanik entstand. Um 20:26 Uhr mussten wir feststellen, dass der reibungslose Abfluss aus dieser Situation durch Beamt*innen der 31 EHU an der Einmündung der Fuldastraße erschwert wurde. Der Weg dorthin war ohnehin nur über den Fußgängerweg möglich, weil der Rest der Fuldastraße an dieser Stelle ebenso wie die Karl-Marx-Straße Baustelle war. Die Beamt*innen der 31. EHU versperrten den Abfluss von der Demonstration mit einer Kette und ließen erst auf unseren Hinweis hin, dass das jederzeitige Verlassen von Demonstrationen durch das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit gewährleistet ist, Menschen einzeln passieren.

    Zusammengefasst ergibt sich für uns ein Bild der Ereignisse, das darauf schließen lässt, dass die Polizei durch mehrere parallel durchgeführte Maßnahmen ab ca. 19:45 Uhr damit begann, die grundrechlich geschützte Versammlung aufzulösen. Es erfolgten Maßnahmen mehr oder weniger zeitgleich im hinteren Drittel der Demonstration sowie in der Mitte. Dies durch Polizeieinheiten, die an neuralgischen Punkten der Demonstrationsroute postiert waren. Zumindest für das letzte Drittel der Demonstration lässt sich begründet vermuten, dass die Baustelle in Höhe der Neukölln-Arcaden als Einsatzmittel zur leichteren Auflösung der Demonstration genutzt wurde. Sonst lässt es sich für uns nicht erklären, weshalb die Route dort entlang führen konnte, vor allem nicht, weil die Polizei alle rechtlichen Mittel in der Hand hatte, um diese zu ändern. Endgültig zerschlagen wurde die Demonstration kurz nach 20:30 Uhr, als Polizeieinheiten den Frontblock stürmten.

    Dies geschah alles vor der von der Polizei via Twitter proklamierten Auflösung der Demonstration durch die Demonstrationsleitung um 21:00 Uhr. Selbst nach eigenen Aussagen gibt die Polizei also zu, eine grundrechtlich geschützte Versammlung zerschlagen zu haben und somit auf eklatante Weise gegen das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit verstoßen zu haben. Außerdem konnte unser Team im vorderen Teil der Demonstration auch um 21:00 Uhr nicht feststellen, dass die Demonstration zu diesem Zeitpunkt von der Versammlungsleitung aufgelöst gewesen wäre. Nach deren eigenen Angaben via Twitter erfolgte eine Auflösung erst um ca. 21:30 Uhr. Auch zu den Beweggründen der Auflösung weisen die Veranstalter*innen auf verbreitete Falschmeldungen der Polizei hin (vgl. https://1mai.blackblogs.org/?p=1010).

    Grundsätzlich hat die Polizei das Recht, Versammlungen bei unfriedlichem Verlauf aufzulösen. Dies muss zum einen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgen, zum anderen in einer Weise erfolgen, dass das den ehemaligen Versammlungsteilnehmenden erkennbar sein muss, um sich entfernen zu können. Weder im vorderen noch im hinteren Teil der Demonstration erfolgten Lautsprecherdurchsagen oder andere Kommunikationsversuche. Stattdessen konnten wir während der polizeilichen Auflösung der Demonstration massive Fälle von Polizeigewalt beobachten, die mehrere zum Teil Schwerverletzte zur Folge hatten. Von mindestens zwei Personen wissen wir, dass sie per Rettungswagen ins Krankenhaus zur weiteren Versorgung transportiert werden mussten.

    Dies allein wäre schon Grund genug, die Auflösung der Demonstration als unverhältnismäßig einzustufen. Das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit der Teilnehmenden wurde durch den Einsatz eklatant verletzt. Der im Nachgang der Demonstration seitens der Verantwortlichen kolportierte Grund für die Auflösung der Demonstration ist, dass sich „der Schwarze Block“ nicht an die Abstandsregeln gehalten habe. Polizeipräsidentin Barbara Slowik äußerte in einem Interview mit dem RBB, dass die Polizei Maßnahmen ergriffen habe, diesen aus der Demonstration zu entfernen, weil sich dieser nicht an die Vorgaben des Infektionsschutzgesetzes gehalten habe. Wir haben oben beschrieben, dass die Polizei maßgeblich verantwortlich dafür ist, dass diese Vorgaben von allen Teilnehmer*innen nur schwerlich, stellenweise überhaupt nicht eingehalten werden konnten. Insofern ist diese Behauptung unlogisch und scheint eine Schutzbehauptung dafür zu sein, die unverhältnismäßige Grundrechtsbeschränkung sowie den brutalen Polizeieinsatz medial zu rechtfertigen.

    Nach §16 VersFG BE hat die Polizei das Recht, Personen von der Teilnahme an einer Demonstration zu verweigern oder zu beschränken, wenn von ihr eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht. Diese war wie beschrieben zu keinem Zeitpunkt gegeben. Nach §16 Abs.2 haben Personen, die ausgeschlossen wurden, sich unverzüglich von der Demonstration zu entfernen. Diese Möglichkeit war zu keinem Zeitpunkt gegeben, weil der Ausschluss – unabhängig von seiner Rechtmäßigkeit, nie kommuniziert wurde.

    Nur am Rande sei noch angemerkt, dass der seitens der Polizei proklamierte Ausschluss des angeblichen „Schwarzen Blocks“ faktisch nicht nachzuvollziehen ist. Die Maßnahmen richteten sich nicht nur gegen einen Teil der Versammlung, den sogenannten „Schwarzen Block“. Die Demonstration wurde zeitgleich an zwei Stellen angegriffen. An einer Stelle wurde ein Lautsprecherwagen gestürmt. Kurz darauf folgte der Angriff auf die Spitze der Demonstration, an der sich kein „Schwarzer Block“ befand.

     

    Statement – Ein schwarzer Tag für die Versammlungsfreiheit

    Wir sind schockiert über die Ereignisse rund um den 1. Mai in Berlin. An diesem Tag hat die Einsatzführung der Berliner Polizei unter der Leitung von Stephan Katte unter Beweis gestellt, dass sie bereit ist, das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit buchstäblich mit Füßen zu treten.

    Wie wir mit unserem Bericht klar zeigen, scheint es so gewesen zu sein, dass es nie die Absicht der Polizei war, die „Revolutionäre 1. Mai“- Demonstration an ihren Endpunkt auf dem Oranienplatz kommen zu lassen. Vieles spricht dafür, dass die Zerschlagung der Demonstration von langer Hand an den letzlich betroffenen Stellen geplant war. Zu den von uns geschilderten Ereignissen kommt hinzu, dass ca. drei Stunden bevor die Demonstration endgültig zerschlagen wurde, hochrangiges Personal den Ort des Angriffs auf die Spitze der Demonstration inspizierte (vgl. https://twitter.com/SpiedUpon/status/1388830209688883205). Außerdem erreichten uns Berichte, dass Menschen, die sich von der Demonstration entfernen wollten, nicht durch die Polizeisperren an den nächstgelegenen Brücken Richtung Kreuzberg gelassen wurden. Vieles spricht also dafür, dass es unbedingter Wille der Polizei war, dass die Demonstrierenden nicht nach Kreuzberg gelangten. Weshalb das Gebiet des ehemaligen MyFests trotzdem per Allgemeinverfügung in polizeilichen Ausnahmezustand versetzt wurde, bleibt uns unklar. Fest steht für uns aber, dass die Polizei an diesem Tag ein äußerst versammlungsfeindliches Bild an den Tag legte.

    Wir wollen an dieser Stelle nochmal klar stellen, dass das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ein hohes Gut ist, das vor allem die Möglichkeit zur Teilnahme an der politischen Debatte ermöglichen soll. Auch und vor allem auch für diejenigen, die nicht an parlamentarischen Debatten teilnehmen können oder wollen. Wenn diese Möglichkeit, wie am 1. Mai 2021 in Berlin geschehen, durch polizeiliche Maßnahmen unterbunden wird, ist dies eine erschreckende Entwicklung. Politische Partizipation bedeutet, Widersprüche zu formulieren, sichtbar zu machen und im öffentlichen Raum zu verhandeln. Diese Möglichkeit wurde von der Polizei unterbunden.

    Damit trat die Polizei als eigenständige politische Akteurin in Erscheinung. Dies ist qua Gesetz, zu dessen Durchsetzung sie verpflichtet ist, explizit nicht ihre Aufgabe. Sie hat allein für die Einhaltung geltender Gesetzgebung zu sorgen. Dies hat sie an diesem Tag nicht gemacht. Stattdessen hat sie das Infektionsschutzgesetz und das neue Berliner Versammlungsgesetz als Legitimationsgrundlage für ihren unverhältnismäßigen und damit letzten Endes auch grundrechtswidrigen Einsatz verwendet, während sie sich gleichzeitig – wie gezeigt – mehrfach nicht an deren gesetzliche Vorgaben hielt.

  • Comunicado de prensa de la Alianza para la Preparación de la Manifestación Revolucionaria del 1 de Mayo

    El relato de la policía de Berlín sobre la dispersión de la manifestación del Primero de Mayo Revolucionario equivale a una narrativa política que sirve principalmente para justificar la dispersión arbitraria pero deliberada de la manifestación.
    He aquí algunos datos y correcciones sobre la manifestación y su violenta disolución por parte de la policía berlinesa.
    Ya en las vísperas del Primero de Mayo, les portavoces de la policía dejaron entrever que esperaban una posible escalada, y se antepusieron posibles escenarios de disolución. Todo ello a pesar de que la alianza de la manifestación subrayó repetidamente el objetivo político de animar a la población de Neukölln y Kreuzberg a unirse a la manifestación. Incluso antes del comienzo de la manifestación, hubo un acoso inicial, como el cierre tardío de las calles, para que la acción de apertura no pudiera comenzar a tiempo.
    La alianza y les participantes intentaron desde el principio respetar las normas de higiene y distanciamiento. De hecho, todes llevaban máscaras. La dirección de la manifestación, las personas a cargo de la seguridad y los camiones con los altoparlantes lo señalaron una y otra vez y consiguieron que se cumplieran las normas en gran medida, sobre todo en el momento en que la manifestación empezó a andar.
    Como también informaron les periodistas y representantes de los medios de comunicación – por ejemplo, RBB en el programa de la tarde – la manifestación fue ruidosa, militante, anticapitalista, pero también relajada, pacífica y, según la propia declaración del reportero del RBB, el 99% de les participantes llevaba la boca cubierta e intentaba mantener las distancias.
    Sin embargo, sin previo aviso y sin informar a la dirección de la marcha, la policía berlinesa dividió la manifestación por la mitad alrededor de las 20:00 horas en la Karl-Marx-Straße, rodeó varios bloques y grupos de personas y los empujó aún más en un espacio que ya era estrecho debido a las obras. La persona a cargo de la inscripción de la marcha instó en la reunión con la policía a establecer prohibiciones de aparcamiento en el recorrido para poder cumplir mejor las normas de higiene, pero dicha solicitud fue rechazada. Es más, la misma policía impidió el cumplimiento de las normas de higiene y distanciamiento separando y rodeando a gran parte de les participantes.
    Es evidente que la policía quería abrir una brecha entre los manifestantes „buenos“ del primer bloque y los participantes „malos“ de los siguientes. No nos involucramos en este intento de división, y no nos involucraremos en el futuro.
    La alianza y les organizadores de la jornada detuvieron la manifestación al enterarse de la separación de la mitad de les participantes en la misma y exigieron que todes pudieran reincorporarse a la manifestación. Sin embargo, la policía se negó a discutir el asunto y privó de hecho a miles de personas de su derecho a la libertad de reunión.
    En cambio, las fuerzas policiales comenzaron a maltratar y agredir a les participantes. Les manifestantes fueron intimidades, detenides arbitrariamente y toda la manifestación fue amenazada con ser disuelta por la policía, ya que les observadores y les residentes tenían dificultades para mantener la distancia en las estrechas y aparcadas calles. Sólo después de los ataques de la policía a varias partes de la manifestación, la situación se agravó.
    Durante este periodo, les inexpertes y obviamente abrumades oficiales de contacto con la policía también „desaparecieron“ sin dejar rastro. Algo que nunca había ocurrido en los muchos años anteriores. La alianza y la dirección de la manifestación querían desescalar la situación y continuar la marcha sin la represión de la policía y con todes los participantes. Sin embargo, les oficiales de contacto y la dirección de operaciones no estuvieron a disposición de la dirección de la manifestación hasta el final de la jornada.
    La policía comenzó a atacar la manifestación que esperaba desde las 20:30 horas y detuvo a cientos de personas. Las unidades policiales atacaron brutalmente a los portadores de pancartas y banderas para impedir la continuación de la marcha. A las 21:00 horas, la manifestación ya había sido disuelta por la policía. Sólo entonces les organizadores disolvieron la manifestación.
    Al final, el jefe de la policía de Berlín difundió la falsa noticia, adoptada por numerosos medios de comunicación sin mayor comprobación, de que la persona a cargo de la manifestación había declarado terminada la manifestación después de que él mismo hubiera sido atacado por la multitud. Esta afirmación es simplemente falsa. La supuesta agresión nunca tuvo lugar y la persona a cargo sólo se enteró de esto por los medios de comunicación.
    No sabemos cómo se fabricó este falso rumor. Pero su propósito político es claro. Unas 25.000 personas que salieron a la calle contra el racismo y el sexismo, contra la explotación y la escasez de vivienda, contra el capitalismo y el imperialismo, van a ser políticamente difamadas y desacreditadas como irresponsables, y con ellas la lucha de clases y los objetivos revolucionarios que representan.
    La actuación de la policía demuestra que ésta nunca tuvo la intención de dejar que la manifestación llegara hasta Kreuzberg. Han forzado deliberadamente una escalada en Neukölln para desacreditarnos ante la población y la prensa y para dividirnos. Porque no hay nada que los gobernantes teman más que nuestra unidad y nuestra solidaridad. Por lo tanto, quieren impedir específicamente que nos unamos en la lucha, dentro de la izquierda y con el pueblo. Pero no tendrán éxito. Ahora más que nunca: ¡Yallah lucha de clases!

    Beitrag in deutscher Sprache: http://1mai.blackblogs.org/?p=1020

  • Die Lügen der Polizei – oder: wovor sich die Herrschenden fürchten

    Pressemitteilung des Bündnisses zur Vorbereitung der Revolutionären 1.-Mai-Demonstration

    Die Darstellung der Berliner Polizei zur Auflösung der Revolutionären 1.-Mai-Demonstration kommt einer politischen Märchenstunde gleich, die vor allem der Rechtfertigung der willkürlichen, aber gezielten Auflösung der Demonstration dient.

    Hier einige Fakten und Richtigstellungen zur Demonstration und deren gewaltsame Auflösung durch die Berliner Polizei.

    Schon im Vorfeld des 1. Mai ließen Sprecher*innen der Polizei verlauten, dass sie mit einer möglichen Eskalation rechnen, und stellten auch mögliche Auflösungsszenarien in den Raum. Und das, obwohl das Demonstrationsbündnis immer wieder das politische Ziel betonte, die Bevölkerung Neuköllns und Kreuzbergs zu ermutigen, sich der Demonstration anzuschließen. Schon vor deren Beginn gab es erste Schikanen wie eine späte Absperrung der Straßen, sodass die Auftaktkundgebung nicht pünktlich beginnen konnte.

    Das Bündnis und die Teilnehmer*innen versuchten von Beginn an, die Regeln des Infektionsschutzgesetzes zu beachten. Faktisch trugen alle Masken. Die Demonstrationsleitung, die Ordner*innen und die Lautsprecherwagen wiesen immer wieder darauf hin und konnten die Einhaltung der Regeln weitgehend sicherstellen, vor allem sobald die Demonstration zu laufen begann.

    Wie auch Journalist*innen und Vertreter*innen der Medien – so zum Beispiel der RBB in der Abendschau – berichten, war die Demonstration lautstark, kämpferisch, antikapitalistisch, aber auch entspannt, friedlich und nach eigenen Aussage des RBB-Reporters trugen 99 Prozent der Teilnehmenden eine Mundnasenbedeckung und versuchten, die Abstände einzuhalten.

    Dennoch spaltete die Berliner Polizei ohne vorherige Warnung und ohne die Versammlungsleitung zu informieren, die Demonstration gegen 20:00 Uhr in der Karl-Marx-Straße in zwei Hälften, kesselte mehrere Blöcke und Personengruppen und drängte diese auf einem durch Baustellen ohnehin schon engen Raum weiter zusammen. Nachdem der Anmelder bereits im Kooperationsgespräch darauf gedrängt hatte, auf der Route Parkverbote aufzustellen, um die Hygieneregeln besser einhalten zu können, die Polizeiführung dies aber rigoros abgelehnte, verhinderte die Polizei selbst mit der Abtrennung und Kesselung großer Teile der Teilnehmer*innen das Einhalten des Infektionsschutzgesetzes.

    Die Polizei wollte damit offensichtlich einen Keil zwischen „gute“ Demonstrant*innen im ersten Block und „böse“ Teilnehmer*innen in den folgenden treiben. Auf diesen Spaltungsversuch ließen wir uns nicht ein – und werden wir uns auch zukünftig nicht einlassen.

    Das Bündnis und die Versammlungsleitung hielten die Demonstration an, nachdem sie von der Abtrennung der Hälfte der Demonstrationsteilnehmer*innen erfahren hatten, und verlangten, dass sich alle wieder dem Demonstrationszug anschließen können. Die Polizei verweigerte indes jedes Gespräch darüber und entzog faktisch Tausenden Menschen ihr Recht auf Versammlungsfreiheit.

    Stattdessen begannen die Polizeikräfte, die Teilnehmer*innen zu traktieren und anzugreifen. Demonstrant*innen wurden eingeschüchtert, willkürlich festgenommen und der gesamten Demonstration mit der Auflösung durch die Polizei gedroht, weil Schaulustige und Anwohner*innen auf den engen, zugeparkten Straßen die Abstandsregeln nur schwerlich einhalten konnten. Erst nach den Angriffen der Polizei auf verschiedene Teile der Demonstration eskalierte die Lage.

    In diesem Zeitraum „verschwanden“ auch die unerfahrenen und offensichtlich überforderten Verbindungsbeamten der Polizei spurlos. Etwas, was in den vielen Jahren zuvor noch nie passiert war. Das Bündnis und die Versammlungsleitung wollten die Situation deeskalieren und Demonstration ohne Repression durch die Polizei mit allen Teilnehmer*innen fortsetzen. Doch Verbindungsbeamte und Einsatzleitung waren für die Versammlungsleitung bis zur Beendigung der Demonstration nicht mehr erreichbar.

    Die Polizei begann ab 20.30 Uhr, den abwartenden Demonstrationszug anzugreifen, und nahm Hunderte Menschen fest. Polizeieinheiten gingen brutal gegen Träger*innen von Transparenten und Fahnen vor, um die Fortsetzung des Aufzugs zu unterbinden. Gegen 21.00 Uhr war die Demonstration faktisch von der Polizei zerschlagen worden. Erst danach lösten die Veranstalter die Demonstration auf.

    Die Berliner Polizeipräsidentin verbreitete letztlich die von zahlreichen Medien ohne weitere Überprüfung übernommene Falschmeldung, der Versammlungsleiter habe die Demonstration für beendet erklärt, nachdem er selbst aus der Menge heraus angegriffen worden sei. Diese Behauptung ist schlicht und einfach falsch. Der angebliche Angriff fand nie statt und der Versammlungsleiter erfuhr davon auch erst aus den Medien.

    Wie diese Falschmeldung fabriziert wurde, entzieht sich unserer Kenntnis. Wohl aber tritt ihr politischer Zweck klar zutage. Rund 25.000 Menschen, die gegen Rassismus und Sexismus, gegen Ausbeutung und Wohnungsnot, gegen Kapitalismus und Imperialismus auf die Straße gingen, sollen politisch diffamiert und als verantwortungslose diskreditiert werden – und mit ihnen die klassenkämpferischen und revolutionären Ziele, die sie vertreten.

    Das Vorgehen der Polizei zeigt, dass sie nie vorhatte, die Demonstration bis nach Kreuzberg ziehen zu lassen. Sie hat bewusst eine Eskalation in Neukölln forciert, um uns vor den Augen der Bevölkerung und der Presse zu diskreditieren und uns zu spalten. Denn es gibt nichts, was die Herrschenden mehr fürchten als unsere Einheit und unsere Solidarität. Daher wollen sie gezielt verhindern, dass wir uns im Kampf zusammenschließen, innerhalb der Linken und mit der Bevölkerung. Das wird ihnen nicht gelingen. Jetzt erst recht: Yallah Klassenkampf!

    Berlin, 3. Mai 2021

    Diesen Beitrag in spanischer Sprache: https://1mai.blackblogs.org/?p=1013

  • Pressemitteilung der Revolutionären 1.-Mai-Demonstration 2021

    Mehr als 25.000 Menschen haben am Samstag an der Revolutionären 1.-Mai-Demonstration in Berlin-Kreuzberg teilgenommen. Um 19:00 setzte sich die Demonstration vom Hermannplatz in Bewegung, doch konnte wegen zahlreichen brutalen Angriffen der Polizei nicht bis zum geplanten Endpunkt am Oranienplatz in Kreuzberg laufen.

    Die Demonstration war ein kämpferisches Zeichen der Solidarität, auf das die Polizei mit Gewalt reagierte: Immer wieder wurden die Teilnehmenden provoziert, als Vorwand diente das angebliche Nichteinhalten der Coronamaßnahmen. Schließlich wurde die Demonstration um 20:30 auf der Karl-Marx-Straße von der Polizei in zwei Teile getrennt. Immer wieder wurde auf die friedlichen Demonstrierenden grundlos eingeprügelt. Duzende Menschen wurden verletzt, einige wurden durch Tritte und Schläge der Polizei bewusstlos; zahlreiche Festnahmen konnten beobachtet werden. Schließlich wurde die Demonstration ohne rechtliche Grundlage aufgelöst.

    „Wir haben heute unsere Solidarität auf die Straße getragen. Unsere Demonstration hat gezeigt, dass der Klassenkampf wieder auf der Tagesordnung ist – der Klassenkampf der Ausgebeuteten und Unterdrückten hierzulande und weltweit“, erklärt Aicha Jamal. „Uns ist es gelungen, die Menschen in den angrenzenden proletarischen Kiez anzusprechen und mit ihnen heute auf die Straße zu gehen – das ist ein Erfolg!“

    „Doch wir haben ebenso gesehen, dass dieser Staat mit aller Gewalt versucht, unseren Protest zu unterdrücken. Dies zeigt, welche Angst die Herrschenden davor haben, wenn sich die Ausgebeuteten und Unterdrückten zusammenschließen, weil sie erkennen, dass sie mehr verbindet, als sie trennt. Welcher Vorwand nun auch immer von den Bullen dafür herangezogen wird, um ihren Angriff auf uns zu rechtfertigen, das hat nichts mitunserer Demonstration zu tun. Wir verurteilen die Polizeigewalt aufs Schärfste!“

    Die Demonstration wurde von einem breiten linken Bündnis organisiert. Erstmals lief an der Spritze ein migrantischer internationalistischer Block. Auf der Auftaktkundgebung wurde in zahlreichen Redebeiträgen aufgezeigt, dass die Coronakrise wiedereinmal das Scheitern des Kapitalismus gezeigt hat, der nur durch immer neue Gesetze und Verordnungen am Laufen gehalten wird. „Wir richtig wir damit liegen, hat sich leider am Abend gezeigt“, sagt Aicha Jamal.

    Ein anderes Thema, das von den Teilnehmern auf die Straße gebracht wurde, war der Kampf der Menschen in Berlin gegen Immobilienkonzerne wie Deutsche Wohnen und Vonovia, die endlich entschädigungslos enteignet werden sollen. „Wohnen darf nicht den Profitinteressen einiger weniger untergeordnete werden. Deutsche Wohnen und Co. müssen enteignet werden. Die Häuser gehören denjenigen, die darin wohnen“, erklärte Jamal.

    „Wir kämpfen gegen Ausbeutung und Unterdrückung. Ob in den Kiezen, in der Schule oder in den Betrieben, unser Widerstand gegen die herrschenden kapitalistischen Verhältnisse lebt nicht nur am 1. Mai, sondern an jedem Tag. Wir lassen uns von Repression nicht einschüchtern, denn wir stehen auf der Seite des Lebens. Der 1. Mai symbolisiert den revolutionären Bruch mit den herrschenden Verhältnissen, er bedeutet, dass wir den über Generationen geführten Kampf für eine solidarische Gesellschaft weiterführen“, so Aicha Jamal.

  • Erste kurze Einschätzung zu den dezentralen Protesten am 30.April und 1.Mai 2020

    Noch sind die Eindrücke sehr frisch und wir konnten auch noch nicht mit allen Rücksprache halten, daher an dieser Stelle nur eine kurze und unvollständige erste Einschätzung. Das Bündnis wird in den nächsten Wochen eine ausführliche Stellungnahme und Auswertung zu den verschiedenen und vielfältigen Aktionen rund um den 1. Mai 2020 veröffentlichen.

    Fangen wir mit dem Positiven an: Tausende Menschen haben in der Walpurgisnacht und am 1. Mai gezeigt, dass sich Protest in Berlin nicht verbieten lässt, sondern wir selbst entscheiden, wann und wie wir demonstrieren. Trotz Polizeigewalt und unverantwortlichen Verhaltens der Staatsmacht sind Tausende auf die Straße gegangen, um ihren Unmut über die gesellschaftlichen Zumutungen zu zeigen. Vor allem aber, um ihre Solidarität mit denjenigen auszudrücken, die in dieser Gesellschaft unterdrückt und ausgebeutet werden. Die Forderung nach Schließung der Lager, Abschaffung der Festung Europa, dem Ende der Ausbeutung, den Erhalt linker Freiräume und praktischer Solidarität waren in Friedrichshain und Kreuzberg so präsent wie lange nicht mehr.

    Einer unserer Schwerpunkte war es, auf die menschenverachtende Situation der Geflüchteten in den griechischen Lagern und an den EU-Außengrenzen aufmerksam zu machen. Wir freuen uns, dass so viele Aktivist*innen mit ihren Transpis, Schildern und Parolen genau das geschafft haben. Die Lager müssen evakuiert werden – und zwar sofort! Kämpfe müssen aber auch verbunden werden. Dazu gehört u.a. der Erhalt von lang erkämpften linken Freiräumen und Projekten – wie die Meuterei, das Syndikat, die Potse und vor allem die Liebig34 – die dazu beitragen, dass praktische Solidarität und linke Praxis möglich sind und bleiben.

    An dieser Stelle vielen Dank an alle, die mit uns auf der Straße, an den Fenstern, auf Balkonen und Dächern waren, die sich nicht haben abschrecken lassen, auch in schwierigen Zeiten Solidarität praktisch werden zu lassen. Wir haben den Eindruck, dass das Konzept des dezentralen und mobilen Protests unabhängig von festgelegten Plätzen und Routen gut funktioniert hat. Erstaunlich viele Menschen waren in kleinen Bezugsgruppen unterwegs, haben sich einen Plan gemacht und besonnen und flexibel auf die Angriffe der Bullen reagiert und somit Protest ermöglicht. Die Bullen waren sichtlich überfordert von der Spontanität der Massen; sie waren oft zu spät vor Ort, so dass sich an vielen Stellen ein Handlungsspielraum eröffnet hat, der mal besser oder mal schlechter genutzt worden ist.

    Kommen wir nun zum Negativen: Es waren vor allem die Bullen, die ohne Mundschutz und dicht gedrängt aufgetreten sind. Fast 2000 von ihnen wurden aus anderen Bundesländern zusammengezogen und in engen Einsatzwägen nach Berlin geschickt, wo sie Menschen verprügelten, die ihr Grundrecht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit in Anspruch nahmen. Wir sagen es ganz klar, ohne die Bullen wäre es einfacher gewesen, Abstand zu halten.

    Wenn die Polizei und der Senat alles dafür tun, demokratischen Protest zu unterdrücken und Schutzkonzepte zu konterkarieren, um uns dann die Schuld zuzuschieben, so sagen wir ganz deutlich: Eines der größten Gesundheitsrisiken für die Bevölkerung ist die herrschende Politik, die Menschen dazu zwingt, auf engstem Raum für zu wenig Geld zu arbeiten, sowie die Polizei, die Menschen schikaniert und sich dabei einen Scheiß um Abstand kümmert.

    2. Mai 2020 – Revolutionäres 1.-Mai-Bündnis

    Hinweis: Wenn ihr festgenommen wurdet, meldet euch bei der Roten Hilfe und dem EA. Von Repression betroffen sind Einzelne, gemeint aber sind wir alle. Daher treten wir der Repression auch gemeinsam entgegen.

    Einige Eindrücke zu den Protesten findet ihr hier:
    https://www.flickr.com/photos/pm_cheung/albums/72157714123429376

  • Rote Hilfe: Nach dem 1. Mai 2019 – solidarisch gegen Repression

    Am ersten Mai 2019 waren wir überrascht von der Menge der festgenommenen Genoss_innen. Die Gefangenensammelstellen waren überfüllt, einige mussten außerhalb der eigentlichen GeSa abgefertigt werden. Die Gefangenen wurden auf verschiedene Bezirke aufgeteilt. Einige wurden erst spät wieder freigelassen und es gab mehrere Haftrichtervorführungen.

    Für die die selbst festgenommen wurden:

    -In der Vergangenheit war insbesondere dann, wenn die Zahl der Festgenommenen so hoch ist, auch die Zahl der eingestellten Verfahren hoch.

    -Bei denen ein Verfahren läuft; ihr bekommt als Beschuldigte einen Brief von den Bullen. Der ist überschrieben mit „Vorladung als Beschuldigter“ oder „…zur schriftlichen Einlassung“, diese Briefe können, dürfen und sollten ignoriert werden.

    -Rat, Kontakt zur Anwält_in und Information über unsere Unterstützung, aber auch zu einem politisch bewussten Verhalten im Prozess bekommt ihr gerne in unserer Beratung: http://www.berlin.rote-hilfe.de/kontakt-sprechstunde/

    Unsere Solidarität gegen ihre Repression!

     

    Veröffentlicht von der Roten Hilfe Berlin Ende Mai unter http://www.berlin.rote-hilfe.de/nach-dem-1-mai-solidarisch-gegen-repression/

    Das allgemeine Spendenkonto der Roten Hilfe findet sich hier: http://www.berlin.rote-hilfe.de/aktiv-werden/spenden-solikonten/