Kategorie: Auswertung

  • Nach dem 1. Mai ist vor dem 1. Mai – EA Berlin zur Demo und U-Haft-Fällen

    In der Auswertung der 18 Uhr Demo am 1. Mai 2019 ist uns folgendes aufgefallen: es sind wieder einige Leute mitgenommen worden, vor allem jüngere Menschen. Mindestens eine Person wurde in der Wanne verprügelt.
    Menschen wurden in zwei GESAs gebracht: Kruppstr. und Wedekindstr. Die Bullen waren wie immer schikanös, haben die Leute angepöbelt und solidarische Menschen draußen angelogen (z.B. sollten in der Wedekindstraße Medis abgegeben werden und die Bullen sagten, dass die Person ist nicht da sei).
    Leute wurden lange in den Wannen festgehalten und sinnlos die ganze Nacht hin- und hergefahren von den GESAs zum Teil auf andere Bullenwachen im Stadtgebiet verteilt und dann morgens wieder zurück zur GESA oder zum T-damm gefahren. Bei den Vernehmungen gab es extrem lange Wartezeiten, Leute wurden in völliger Unklarheit gelassen, ob es eine Haftrichtervorführung gibt oder nicht. Eine Person wurde mit dem Vorwurf der Vermummung bis zum nächsten Vormittag im Tempelhofer Damm festgehalten, mindestens zwei Leute sitzen zum jetzigen Zeitpunkt noch in U-Haft.

    Durch die langen Bearbeitungsstraßen, die Hin- und Herfahrerei und die langen Wartezeiten entsteht Langeweile und die Bullen versuchen, Plaudersituationen herbeizuführen. Dies ist Strategie der Bullen und dient einzig und allein dazu, Informationen rauszukriegen. Darüber hinaus muss auch bei Ingewahrsamnahmen und Verhaftungen mit Bullenverhören gerechnet werden.
    Wie wir gesehen haben, dauern diese Prozeduren beim 1. Mai sehr lange, bereitet euch darauf vor, dass ihr nicht gleich wieder rauskommt.
    Generell raten wir allen, sich im Vorfeld mit solchen Situationen auseinanderzusetzen und sich darauf vorzubereiten, denn wie immer gilt: Anna und Artur, Aishe und Ahmed halten‘s Maul!

    Mit solidarischen Grüßen, EA


    veröffentlicht am 21.5.2019
    https://ea-berlin.net/nach-dem-1-mai-ist-vor-dem-1-mai

  • Auswertung der Black Pond Antifa – Und jährlich grüßt der 1. Mai

    Die traditionelle Revolutionäre 1. Mai-Demo in Berlin sorgt für viel Polarisierung. Ist sie ein festgefahrenes Ritual welches nur noch als Touri-Spektakel taugt, oder ein wichtiger Tag für linksradikale Kämpfe überall? Um den Partymassen beim Kreuzberger Myfest zu entkommen, wurde die Demo dieses Jahr nach Friedrichshain verlegt. Anstelle der, wie so oft, von der Presse hochgehypten Krawalle, verblieb einiges an Verwirrung und Frust. Mit folgendem Text wollen wir uns an der Debatte um den 1. Mai in Berlin beteiligen.

    Eine entscheidende Frage scheint zu sein, wieviel Verantwortung jeweils organisierte und unorganisierte Menschen übernehmen müssen oder sollen, wieviel Gruppen selbst organisieren und durchplanen und wieviel kann bzw. sollte man von den nicht-organisierten Leuten erwarten?
    Die Revolutionäre 1. Mai Demo wurde am Bersarinplatz vom Frontblock für beendet erklärt, entgegen dem vorher angekündigten Ende an der Warschauer Straße. Statt aber dort zu enden, und etwa wieder in die Rigaer Straße zurückzukehren, wechselten die führenden Reihen und die Demo ging bis zur Warschauer Straße weiter – wo sie gekesselt und 153 Menschen rausgezogen wurden[1]. Die Rigaer94 fragt sich, ob die Diskurse rund um ungünstige Endpunkte verborgen geblieben sind, oder ob die Organisierten keine genügenden Raumkonzepte angeboten haben, und schließt dann damit, dass „offensichtlich […] aber nur Wenige diese Überlegung geteilt [haben…]“[2].
    Wir sehen hier eher die mangelnde Kommunikation als Problem. Etwas, was auch schon bei der diesjährigen Demo gegen den Polizeikongress ein Problem darstellte. Wir glauben nicht, dass besonders viele Menschen überhaupt mitbekommen haben, dass die Demo dort enden sollte. Die Entscheidung, keinen Lautsprecherwagen auf der Demo zu haben, ist nachvollziehbar, nichtsdestotrotz sollte sich für solche Aktionen eine verlässliche Kommunikationsstruktur überlegt werden, und seien es nur ein paar Megafone.
    Jedoch teilen wir die Kritik, dass „[..] die Reihen, welche die Demospitze ab diesem Punkt übernahmen, [offensichtlich] keinerlei taktisches und politisches Verständnis [besaßen]“[3]. Zumindest diese Reihen, hätten bemerken sollen, dass etwas nicht stimmt, wenn auf einmal die 1. Reihe und der organisierte Block einpackt. Dadurch, dass es trotzdem weiterging, ist unserer Meinung nach auch die kritisierte „Konsumhaltung“ der nachfolgenden Menschen zu erklären.

    Diese Konsumhaltung und das taktische Unverständnis ist auf jeden Fall zu kritisieren. Selbst auf wesentlich kleineren Demos mit wesentlich niedrigeren Erwartungen als die 1. Mai Demo, ist die Polizeistrategie des Abfilmens von vermeintlichen Straftaten, um die Personen am Ende zu kesseln und rauszuziehen, Standard. Besonders häufig trifft das Jugendliche, welche sich ohne jeden Anlass vermummen. Jedoch stellt sich die Frage, ob es nicht an organisierten Gruppen ist, entsprechende Angebote zu stellen, um diese Probleme zu überwinden. Kein Mensch kommt mit diesem Wissen auf die Welt, und sich das ganze nach trial and error anzueignen und währenddessen mit Repressionen überzogen zu werden, ist sicherlich keine Lösung.
    Wenn wir Konsumhaltung und fehlendes taktisches Verständnis als Teil des Problems ausgemacht haben, ist es nicht an der organisierten radikalen Linken, dieses zu brechen? Ist es nicht an der organisierten radikalen Linken, entsprechende Räume zu erschließen? Als Teil der radikalen Linken trifft uns diese Kritik natürlich gleichermaßen. Unserer Meinung nach kann die Frage der Rigaer94 bezüglich den fehlenden Raumkonzepten mit einem klaren Ja beantwortet werden. Diese stellen aber nur einen Teil der Problematik dar, es ist also keine Entweder-Oder-Frage.
    Vielleicht wäre es sinnvoll, abseits der herkömmlichen Demotrainings, zusätzliche Angebote zu schaffen, welche explizit derartige Konzepte versuchen zu vermitteln, etwa Raumnahme, Demo- und Polizeitaktiken sowie bereits erprobtes Wissen weitergeben. Reflexionen zum taktischen Vorgehen und den möglichen Potentialen waren vorhanden[4], allerdings ist fraglich, ob derartige strategische Überlegungen bei Indymedia zum gewünschten Ergebnis führen, wenn sich niemand konkret angesprochen fühlt und kein Austausch mit weniger erfahrenen Menschen entsteht.

    Doch wie ist die diesjährige Demonstration allgemein zu werten? Das kommt vermutlich darauf an, mit welchen Erwartungen man an die Sache herangegangen ist. Erwartete man einen kraftvollen, militanten Widerstand a là Frankreich, wurde man ziemlich sicher enttäuscht. Auch einige der Reaktionen auf das in der Mainzer Straße rausgehängte Banner „Gegen jeden Antisemitismus!“ sprechen Bände über einige Menschen, die in dieser Demonstration mitlaufen. Genauso schade ist es, dass scheinbar nur der Berliner Kurier bemerkt hat[5], dass die ersten Reihen FLTI* only waren.

    Eine Verbesserung zu den letzten Jahren, ist aber auf jeden Fall zu bemerken: weniger Touristen und eine fünfstellige Anzahl an Menschen auf einer unangemeldeten, linksradikalen Demonstration. Klar, immer noch viele Schaulustige, Selbstbespaßung in der Rigaer Straße und Ohnmachtserfahrungen im Kessel der Polizei. Es ist klar, dass die 1. Mai Demo sich nicht über Nacht komplett wandelt und innerhalb eines Jahres den Charakter einer Touri-Attraktion verliert. Ein erster Schritt in die richtige Richtung ist auf jeden Fall getan, und daran sollte in den Folgejahren angeknüpft werden.

    [1] https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2019/05/erster-mai-berlin-demos-bilanz.html
    [2] https://rigaer94.squat.net/2019/05/07/einige-hoffnungsschimmer-zwischen-vielen-fragezeichen-der-1-mai-in-der-rigaer-strasse/
    [3] ebd.
    [4] https://de.indymedia.org/node/29008
    [5] https://www.berliner-kurier.de/berlin/polizei-und-justiz/die-schwarze-block-warum-jetzt-frauen-in-der-ersten-reihe-demonstrieren-32461032

     

    Text der Black Pond Antifa, Mai 2019
    https://arrested.me/33/

     

     

  • Einige Hoffnungsschimmer zwischen vielen Fragezeichen – der 1. Mai in der Rigaer Straße

    Mit der großen Anzahl an Menschen, die bereit waren an einer nicht angemeldeten revolutionären 1. Mai Demonstration durch Friedrichshain teilzunehmen, beweist sich der Bedarf etwas zu artikulieren, das schwer in Worte zu fassen ist. Wurde doch im Vorfeld, wie übrigens in der gesamten Thematik des Mieten- und Wohnungskampfs, oft von einer Wut geredet und geschrieben, die sich hoffentlich irgendwann entladen möge.
    Einige Tausend haben sich von dem Motto – Gegen die Stadt der Reichen – angesprochen gefühlt und etwas umgesetzt, dass in der Vorbereitung der Demo nicht selbstverständlich erschien; nämlich dieselbe in Gang zu bringen und gegen eine bundesweite Mobilisierung der Repressionskräfte durchzusetzen. Damit dürfte in Zukunft für vergleichbare Situationen der lange Zeit übliche Kniefall vor dem/der Berliner Polizeipräsidenten/in obsolet geworden sein. Eine Demonstration findet statt, wenn wir es wollen und nicht wenn es eine Behörde gnädigerweise zulässt.

    Diese Demo war autonom, auch wenn nur eine Minderheit Autonome waren, weil sie sich ihren Weg gesucht hat und ohne Zwischenkundgebungen, ohne Lauti, mit Parolen, Transpis und Schilder, wirklich Allen die Möglichkeit gab irgendetwas zu artikulieren. Wir waren überrascht von den Massen, die an unserem Haus vorüber zogen und freuen uns über die Solidaritätsbekundungen, die das pausenlose Hetzen der Medien gegen uns als bedeutungslos entlarven. Enttäuscht hat uns, dass dieses Potential weitgehend verpufft ist und aus der Stärke der Demo keine Angriffe resultiert sind, sondern alle eher in Konsumhaltung hinter dem Fronttranspi hergelaufen sind. An dieser Stelle sei aber auch gleich gesagt, dass wir uns hier genauso auch an die eigene Nase zu fassen haben.
    Ob wir den Ausdruck richtig als Zustimmung zu den Bemühungen, einen unregierbaren Kiez, eine widerständige Nachbarschaft bzw. einen rechtsfreien Raum hier im nördlichen Friedrichshain zu etablieren, deuten können, wissen wir nicht.

    Denn der Raum, den wir zusammen mit der Liebig34 und anderen Nachbar*innen und Freund*innen hier geöffnet haben, um an Tagen wie diesem etwas rauszulassen, was oft beschworen wird, nämlich Wut, davon war nicht viel zu spüren. Jedenfalls zog die Demo einfach weiter, selbst als der organisierte Frontblock sie am Bersarinplatz für beendet erklärte. Statt den Raum zu nutzen für irgendetwas, mit sehr vielen Leuten in einem fast bullenfreien Areal rund um den Dorfplatz, sind die meisten einfach weiter gelaufen Richtung Warschauer Straße. Waren die Diskurse über Sinn und Zweck solcher Demos, die Problematik ungünstiger Endpunkte, so verborgen geblieben? Oder war es der Fehler der Leute, die in der Straße organisiert sind, keine Raumkonzepte anzubieten, die die Leute vor Ort gehalten hätte? Der Umstand, dass die meisten Festnahmen der Demo im vorbereiteten Kessel am Endpunkt stattgefunden haben, hat die Intention bestätigt, am Bersarinplatz zu enden. Offensichtlich haben aber nur Wenige diese Überlegung geteilt und offensichtlich besitzt der Jugendwiderstand, welcher die Demospitze ab diesem Punkt übernahm, keinerlei taktisches und politisches Verständnis(siehe Korrektur unten) So blieben wenige in unserer Straße zurück, während Tausende in die übliche Falle an der Warschauer zogen, wo die Bullen nach einigen Flaschenwürfen leider leichte Beute machen konnten. Abseits der Verantwortung für einen weniger repressiven Ausgang einer Demonstration, die wir alle tragen, fragen wir uns, wo ist die Wut der Menschen. Wo der Wille, sich nicht von den Bullen in kleine Haufen zersprengen zu lassen, die nicht geeignet sind, sich der Festnahmetaktik widersetzen zu können. Wo ist die Suche nach dem Weg raus aus solchen Fallen, oder fehlt gar die Wut und Entschlossenheit und es herrscht eher Ohnmacht und Gleichgültigkeit?

    Wut haben wir in den Bildern aus Paris von diesem Tag erkannt. Die Berliner 1. Mai Demo hat bereits in vergangenen Jahren den Irrtum begangen, sich selbst mit den Erwartungen aufzuladen, die von jeweils anderen Orten aus dortigen Revolten abgeleitet wurden. Weil das nie funktioniert hat, könnte besser in Zukunft noch kleinteiliger in den von Gewerkschaften und Linken abgehängten Milieus gearbeitet werden. Der Krawall der Gelben Westen oder andere Unruhen haben wenig Wirkung auf hiesige Protestkulturen.

    Langsam kamen bei Einbruch der Nacht mehr Menschen zurück zur Liebig und Rigaer um den Raum politisch zu nutzen. Die Bullen formierten sich, wurden mit reichlich Farbbeuteln eingedeckt. Eine Zivikarre wurde eingeworfen, nachdem sie zum xten Mal provozierte, danach zwei Wannen angegriffen, die schnell weiterfuhren. Die 25. Hundertschaft rannte zwischen Dorfplatz und Zellestraße hin und her, wurden mehrmals mit Steinen beworfen, es gab Sitzblockaden und kleine Spontis, Wannen gerieten in Hinterhalte, sie verteilten Pfefferspray, Knüppelschläge und Tritte während brennende Mülltonnen die Straße blockierten – ein ereignisreicher Abend in unseren Straßen, die Bullen schienen sichtlich Probleme, die Kontrolle über die Situation zu erlangen. Wir distanzieren uns von nichts. In der offiziellen Pressemeldung der Bullen hat das alles nicht stattgefunden – um ihren Erfolg nicht zu schmälern, muss der Krieg gleichzeitig Frieden sein.

    Wichtiger als Gewalt gegen ihren Frieden ist uns die Interaktion mit denen, die bei Aufrufen wie zu diesem 1. Mai am Start sind und sich mit Zusammenkünften auf der Straße auseinandersetzen. Kritische Kommentierungen sind ausdrücklich erwünscht, damit bei den vom Senat geplanten Räumungen ein heftigeres Zusammenwirken der Häuser mit den Demonstrationen möglich ist.

    Allen Verletzten und Festgenommenen senden wir unsere Solidarität und rufen euch dazu auf, sich mit Anderen zu vernetzen und sich gemeinsam gegen die Verfolgung durch die Behörden zu organisieren. Repression ist keine individuelle Last, sondern eine kollektive Verantwortung. Jederzeit könnt ihr euch dafür auch an uns wenden.

    Die ganze Rigaer94

     

    Korrektur 14.5. der Rigaer 94:

    Der von uns kürzlich verbreitete Text „Einige Hoffnungsschimmer zwischen vielen Fragezeichen – der 1. Mai in der Rigaer Straße“ (https://rigaer94.squat.net/2019/05/07/einige-hoffnungsschimmer-zwischen-vielen-fragezeichen-der-1-mai-in-der-rigaer-strasse/) soll hiermit in einem Punkt korrigiert werden.

    Wir hatten geschrieben, dass der Jugendwiderstand ab Bersarinplatz die Führung der Demo zum schlechten Endpunkt in der Warschauer Straße übernommen habe. Diese Information war uns zunächst zu Ohren gekommen und aufgrund von im Internet verbreiteten Aufnahmen zunächst plausibel erschienen. Inzwischen haben wir auch anders lautende Berichte über die Reihen gehört, die diese Demo dann angeführt haben. Spätestens mit dem Dementi des Jugendwiderstands müssen wir die Textstelle ändern, weil wir davon ausgehen, dass diese Gruppe es nicht bestreiten würde, die Demospitze ab dem Zeitpunkt gebildet zu haben. Richtig muss es im Text also heißen:

    „Offensichtlich haben aber nur Wenige diese Überlegung geteilt und offensichtlich besitzen die Reihen, welche die Demospitze ab diesem Punkt übernahmen, keinerlei taktisches und politisches Verständnis.“

  • Auswertung 1. Mai 2017

    Nicht um Erlaubnis fragen – Selber machen!

     

    Mit über 15.000 Menschen zog die diesjährige revolutionäre erste Mai Demo unangemeldet durch Kreuzberg und Neukölln. Dieses Jahr haben wir uns unnötige Anmelder_innengespräche und Auflagen der Versammlungsbehörde erspart, und haben unser Recht auf die Straße zu gehen in die eigenen Hände genommen. Wenn wir gegen Staat und Kapitalismus rebellieren fragen wir nicht vorher um Erlaubnis. Einige Medien und Politiker_innen haben sich im Vorfeld über diesen angekündigten Regelverstoß bloss echauffiert, andere haben wie immer versucht Krawall herbei zu reden. Wieder andere dachten wohl, das Ganze sei nur eine Promo-Aktion. Auch die Polizei hatte über die Medien an uns appelliert, doch noch in letzter Sekunde anzumelden. Aber wir alle haben gezeigt, dass ein unangemeldeter erster Mai in Berlin möglich ist, und uns gemeinsam ein Stück Selbstermächtigung zurückgeholt.

    Dafür ein fettes Danke, an alle, die dabei waren. Danke an alle die unterstützt haben, danke an die Demobeobachtung, an die Gefangenenbetreuung und den juristischen Beistand. Gemeinsam haben wir gezeigt, dass wir noch immer unversöhnlich mit Staat, Polizei und Kapital sind und das am Ende immer die Straße entscheidet.

    Klar war von vornherein: ein solcher Akt würde nicht ohne Antwort der Staatsgewalt bleiben. Die Ankündigung ohne obligatorische Anmeldung und Zwangsabsprachen mit der Polizei zu demonstrieren, wurde als politische Kampfansage verstanden, und so war sie auch gemeint. Von 72 Festnahmen ist bisher die Rede. Darüber hinaus sind eine ganze Menge Leute bei der Durchsetzung der Demo von den Bullen verletzt worden. Unsere Solidarität gilt allen Betroffenen.
    Für alle, die nun mit Repression konfrontiert werden: Denkt daran, getroffen hat es euch, gemeint sind wir alle. Wendet euch an die Rote Hilfe und den Ermittlungsausschuss wenn ihr juristische Unterstützung benötigt. Sprecht mit Freund_innen darüber, wie es euch geht und was ihr erlebt habt. Ihr seid nicht allein! Wir stehen das gemeinsam durch!

    Während im MyFest kaum Bullen aufgetaucht sind und sie sich in Kreuzberg größtenteils zurückgehalten haben, gab es ab Neukölln im vorderen Bereich der Demo eine sehr enge Bullen-Begleitung und die ersten polizeilichen Übergriffe erfolgten. Wir wollen an dieser Stelle besonders den Gewaltausbruch der Bullen an der Pannierstraße hervorheben. An einer für sie taktisch guten Stelle haben die Bullen die Demospitze massiv angegriffen, einzelne Personen verhaftet, und viele verletzt. Danke an alle, die in dieser Situation ruhig und besonnen geblieben sind, alle die versucht haben Leute vor Festnahmen und Verletzungen zu schützen, und jene die Verletzte versorgt haben. Trotz dieses Angriffes konnte die Demo selbstbestimmt zu Ende gebracht werden.

    Für uns zeigt dies zweierlei. Wir können gemeinsam einiges auf die Beine stellen. Wir müssen nicht um Erlaubnis fragen, wenn wir viele sind und es einfach machen. Jeder und Jede kann sich auf unterschiedliche Art und Weise einbringen, gemeinsam gestalten wir die Demo. Bedanken wollen wir uns ausdrücklich auch bei den vielen Menschen die Transpis an der Demostrecke aufgehängt haben, oder anderweitig die Demo begrüßt und unterstützt haben.
    Der Verlauf der Demo zeigt uns aber auch, dass wir auf Angriffe der hochgerüsteten Bullen noch deutlich flexibler reagieren müssen, und unsere Handlungsmöglichkeiten stark von den örtlichen Gegebenheiten abhängen. Müssen wir es uns gefallen lassen, im Spalier begleitet zu werden oder was können wir diesbezüglich anders machen, und warum halten wir kollektiv die Füße still bei Angriffen auf die vordere Struktur, statt anderswo mit der Nadel zu stechen? Sicher war es kein Zufall, dass der Angriff auf die Demospitze ausgerechnet in der Pannierstraße erfolgte, einem Ort mit wenig Passant_innen und kurz hinter einer Abbiegung so dass ein Großteil der Demo nicht sieht was vorne passiert. Dieses Vorgehen kennen wir aus anderen Jahren, ähnlich verhielt es sich auch mit dem Angriff auf die Demospitze vor dem jüdischen Museum im Jahr 2012. Wir müssen also stärker aus den Erfahrungen der letzten Jahre und Jahrzehnte lernen und uns ein Stückweit auf die Taktik der Polizei einstellen, damit arbeiten. Letztlich aber müssen wir uns zusammen finden, Strukturen aufbauen und es schlicht und einfach mit unseren Freund_innen und Genoss_innen ‚Selber Machen‘!
    Wir glauben wir haben dieses Jahr einen ersten Schritt in diese Richtung gemacht, weitere Schritte werden folgen. So ist eine Beteiligung von mehr organisierten Strukturen in Zukunft notwendig, um die politische Ausstrahlung der Demo zu verstärken und auch unsere Handlungsspielräume zu vergrößern.

    Den angekündigten rechtlichen Konsequenzen für eine Person, die angeblich Organisator_in der Demo gewesen sein soll, sehen wir gelassen entgegen. Einerseits freuen wir uns auf das öffentlichkeitswirksame Forum für unsere Position, nicht um Erlaubnis zu fragen wenn wir gegen die tagtäglichen Unzumutbarkeiten des Kapitalismus auf die Straße gehen. Und auch juristisch hätte ein mögliches Verfahren einen gewissen Unterhaltungswert. Wer aber glaubt, der revolutionäre erste Mai hätte eine_n Organisator_in, die_der ruft und 15.000 Menschen folgen, hat gesellschaftliche Interaktion im Allgemeinen und linke Politik im Besonderen einfach nicht verstanden.
    Der revolutionäre erste Mai sind wir alle, wenn wir es selber machen! Und das werden wir! In Hamburg, hier im Kiez, überall!

    ***See you on the streets***